Maileen und Marvin Seeger gehen bei der SG H2Ku Herrenberg auf Torejagd

von Peter Gebhardt 07.01.2022
Als erfolgreiches Geschwisterpaar sorgen Maileen und Marvin Seeger bei der SG H2Ku Herrenberg für ein sportliches Novum. Sie gehen gemeinsam über die Außen auf Torejagd. Sie bei den Frauen in der 2. Bundesliga. Er bei den Männern in der Oberliga.
Herrenberg – Die Frauen spielen in der 2.Bundesliga, die Männer sind eine feste Größe in der Oberliga Baden-Württemberg. In den beiden Flaggschiffen der Herrenberger Handball-Spielgemeinschaft geht nach dem Aufrücken von Maileen Seeger in den Bundesligakader nun ein Geschwisterpaar gemeinsam auf Torejagd. Während sich die 19-Jährige ihre ersten Sporen in der Bundesliga verdient, ist Bruder Marvin schon seit Jahren aus dem Oberligateam nicht mehr wegzudenken.
Die Haslacher Handballerfamilie mit den vielen „Ms“
Wer Familie Seeger nicht kennt – was zumindest in Haslach eigentlich unmöglich ist – könnte noch an eine zufällige Namensgleichheit glauben. Allein der Blick ins Familienbuch sorgt aber schnell für Klarheit. Manfred, Martina, Marvin, Maileen und Marlon: Das kann ja unmöglich Zufall sein. Oder doch? Vater Manfred, in Haslach und Umgebung als Manne bekannt, klärt lachend auf: „Weder bei meiner Frau Martina als auch bei Marvin und Maileen war die Namensgebung explizit am M ausgerichtet. Nur bei Marlon wollten wir das System nicht mehr durchbrechen.“
Gezielt ausgerichtet ist das Leben der Seegers aber trotzdem. Der Handballsport nahm und nimmt einen großen Teil im Leben der Familie ein. Begonnen hatte es schon vor fast 50 Jahren. Manne Seeger begann in den 70er Jahren als Kind beim TV Haslach, als noch gar nicht an eine Spielgemeinschaft zu denken war. Die Gegner in den Spielen waren unter anderem die damaligen Böblinger und späteren Bundesligaspieler Ralf Maurer und Hansi Böhm, heute die Macher bei den „BöSis“ und den H2Ku-Männern in Herrenberg. Und auch wenn es der Rückraumlinke bis zum Kapitän der Landesligamannschaft in Haslach gebracht hat und der inzwischen 56-Jährige noch bis 2003 in der Verbandsliga in Holzgerlingen unter Trainer Hans-Jörg Zürn aktiv war, sind seine Sprösslinge Marvin und Maileen mit ihren Leistungen längst aus dem Schatten des Vaters getreten.
Beide Handballkarrieren beginnen mit sieben Jahren beim TV Haslach
Begonnen hatte die Handballkarriere der beiden natürlich beim TV Haslach, wo auch sonst. Mit jeweils sieben Jahren ging es los, vorherige Ballversuche im Vorschulalter mal ausgenommen. Denn am Harz gerochen, haben die Geschwister praktisch mit dem ersten Atemzug. „Während Maileen sinnbildlich in der Holzgerlinger Halle gewickelt wurde, war Marvin unser erstes Einlaufkind, als es noch gar keine Einlaufkinder gab“, erinnert sich Manfred Seeger zurück an seine Zeit im Schönbuch. Klar war aber auch, dass der Weg der Geschwister nur über den TV Haslach und danach über die SG H2Ku führen würde. Allerdings mit einer Ausnahme. Im zarten Mini-Alter machte die damals Neunjährige einen Abstecher zum VfL Herrenberg. „Dort konnte ich in einer reinen Mädchenmannschaft spielen“, klärt Maileen auf. Was allerdings nicht heißt, dass sie Handball mit Jungs nicht mochte. Schon damals ging es regelmäßig in den heimischen Garten hinterm Elternhaus, um mit dem sieben Jahre älteren Bruder zu springen und zu werfen.
Marvin wurde einst als zu klein und schmächtig empfunden
Einen Vorteil, den Marvin als ältester natürlich in jungen Jahren nicht hatte. Der Liebe zum Handball war das aber nicht abträglich. Da einer seiner ersten Trainer der eigene Vater war, wurde auch das logistische Problem geschickt umkurvt. Zu Beginn seiner Entwicklung lief aber längst nicht alles geradlinig. Zu klein und zu schmächtig lautete das Urteil in der frühesten Jugend über den heute gestandenen Linksaußen. So musste Marvin lange Wege über die zweiten Mannschaften der SG H2Ku gehen. Doch er wollte sich durchbeißen. Zum ersten, aber nicht zum letzten Male sollte Nico Kiener eine zentrale Rolle in seinem Sportlerleben einnehmen. „Nico sah in der B-Jugend etwas in mir, was andere eben nicht sahen“, ist Marvin dem jetziger Trainer von Frauen-Bundesligist Frisch Auf Göppingen noch immer dankbar, dass er im ersten Team der Jugendmannschaft eine Chance erhielt. Dort spielte er dann unter anderem auch mit dem aus Böblingen gekommenen Dominic Rose und den Haslachern Sascha Marquardt und Jannis Mezger zusammen.
Bei einem Spiel der B-Junioren stürmt Maileen die Tribüne
Kurioserweise erhielt auch die Schwester den entscheidenden Kick in der B-Jugend. Auch wenn die beiden unisono betonen, von all ihren Trainern und Trainerinnen profitiert zu haben, war es ab 2016 Kaya Diehl, die sie in dieser Phase entscheidend geprägt hat. Die DHB-Pokalsiegerin, als Spielerin vom Bundesligisten HC Leipzig zu den Kuties gekommen, war ebenfalls Rechtsaußen – was die positive Entwicklung von Maileen Seeger sicher mit befeuert hat.
Manchmal war der Rat des Bruders aber dann doch wichtiger als der einer Trainerin. Einmal klappte bei der Linkshänderin in einem Spiel bei den B-Juniorinnen nicht viel. Familie Seeger war, wie bis heute üblich, auf der Tribüne der Markweghalle als Zuschauer dabei. Nach dem Pausenpfiff stürmte Maileen kurzerhand auf die Tribüne und holte sich wichtige Tipps von Bruder Marvin zum Wurfverhalten ab. In der zweiten Hälfte lief es dann deutlich besser.
Nico Kiener holte Marvin ins Oberligateam
Deutlich besser lief es auch für Marvin Seeger ab der B-Jugend. Nun ging der Weg geradlinig weiter über die A-Jugend, zeitgleich kamen Spiele in der dritten Mannschaft dazu. Dies war aber nur eine Zwischenstation. Mit dem Austritt aus dem Nachwuchsbereich wechselte der Groß- und Außenhandelskaufmann in die Landesligamannschaft der SG H2Ku. Und wieder kreuzten sich die Wege vom Linksaußen und Trainer Nico Kiener. Kiener, der nach dem Abstieg aus der dritten Liga 2015 den Neustart in der Oberliga leitete, klopfte wie schon Jahre zuvor beim inzwischen 20-Jährigen an, ob er sich vorstellen könne, im Oberligateam zu spielen. Natürlich konnte er.
Seit dieser Zeit ist Marvin Seeger als Linksaußen nicht mehr wegzudenken und seit einigen Jahren die Nummer eins auf seiner Position. Für ihn selbst soll das aber noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein. „Nach meinen Hüftproblemen im vergangenen Herbst will ich 2022 wieder voll angreifen“, kündigt er an. Mit seiner Mannschaft hat er noch einiges vor, am liebsten irgendwann auch mal wieder in der dritten Liga. Das Zeug dazu hat der Rechtshänder, auch wenn er selbst noch Verbesserungspotenzial sieht: „Vor allem in der Abwehr will ich mich noch steigern.“ Worte, die Trainer Fabian Gerstlauer gerne hören wird. Zu seinem größten Fan, aber auch Kritikerin, ist indes Freundin Julika geworden. „Durch mich hat sie die Liebe zum Handball entdeckt. Inzwischen schaut sie mehr Handball als ich und bewertet auch meine Leistungen“, muss der inzwischen in Böblingen wohnende Marvin schmunzeln.
Maileen Seeger hat noch viel Potenzial und einen sehr starken Ehrgeiz
Maileen, die unlängst nach dem Abitur ein Studium der Wirtschaftsinformatik aufgenommen hat, wohnt mit ihren gerade einmal 19 Jahren noch im Elternhaus. „Ich fühle mich sehr wohl zu Hause und so soll es auch noch einige Zeit bleiben.“ Was allerdings nicht so bleiben soll, ist die eigene sportliche Entwicklung. Vom Potenzial der jungen Rechtsaußen ist auch ihr Trainer Mike Leibssle angetan, sonst hätte er das Talent nicht aus der Württembergliga-Mannschaft in die zweite Liga geholt. „Ich freue mich über ihren Ehrgeiz. Das Individualtraining nutzt sie regelmäßig für sich. Sicher braucht sie noch vermehrt Einsatzzeiten im Wettkampf“, erläutert Leibssle. Trainer und Spielerin wissen aber auch, dass mit Tanja Padutsch und Britt van der Baan richtig gute Konkurrentinnen noch vor ihr stehen. „Von beiden kann sie allerdings unheimlich viel lernen“, sieht Mike Leibssle auch Vorteile in dieser Konstellation.
Darüber und über den weiteren Weg von Linksaußen Marvin gibt es sicher wieder viele Gespräche am Mittagstisch in Haslach, wo sich Geschwister und Eltern fast täglich treffen. Der Bruder freut sich – mit einem Augenzwinkern – vor allem darüber, dass nun im Aktivenalter der Schwester ein gleichberechtigter Austausch von Außen zu Außen stattfinden kann. Denn Vater Manfred war ja „nur“ Rückraumspieler.