„Wir werden um die 2. Liga kämpfen“

von Peter Gebhardt 11.01.2022
Im Etat der SG H2Ku Herrenberg für die kommende Saison in der 2. Handball-Bundesliga der Frauen klafft eine Lücke im fünfstelligen Bereich. Die Verantwortlichen sagen allerdings: „Wir werden um die 2. Liga kämpfen.“
Herrenberg – Es war ein echter Paukenschlag, der vor einigen Tagen durch Herrenberg hallte. Der Fortbestand der SG H2Ku in der 2. Handball-Bundesliga der Frauen ist ernsthaft in Gefahr. Auch wenn trotz Corona-Folgen der Etat für die laufende Saison abgesichert ist, fehlen für die kommende Runde satte 50 000 Euro. Nun kämpft eine frisch gebildete Task-Force um die Zukunft des hochklassigen Frauenhandballs in der Gäu-Stadt.
Dunkle Wolken am wirtschaftlichen Horizont
Katja Rhotert ist wirklich nicht zu beneiden. Die Geschäftsführerin der Handball GmbH der Herrenberger Spielgemeinschaft würde sich lieber um anderes kümmern als das, was sie momentan am meisten umtreibt. Am wirtschaftlichen Horizont sind dunkle Wolken aufgezogen. „Ja, wir haben für die kommende Saison noch eine Unterdeckung von etwa 50 000 Euro“, bestätigt Rhotert. Dieser Betrag macht etwa 30 Prozent des Gesamtetats der Zweitligamannschaft aus.
Die Gründe für den kommenden Fehlbetrag sind vielschichtig. Den größten Teil macht das Wegbrechen von zwei Großsponsoren aus. Hier muss man alleine von etwa 20 000 Euro ausgehen. Zudem ist unsicher, ob staatliche Corona-Hilfen auch in Zukunft für Vereine fließen. „Damit können wir nicht rechnen“, macht sich Katja Rhotert keine allzu große Hoffnungen. Einnahmen von Ticketing und Bewirtung dürften darüber hinaus auch kommende Saison das Vor-Corona-Niveau nicht erreichen.
Klares Bekenntnis pro 2. Handball-Bundesliga bei den Vereinen
Im Oktober 2021 hatte sich die GmbH-Chefin erstmals über die Bücher gesetzt und einen virtuellen Kassensturz gemacht. Das nicht gerade erfreuliche Ergebnis ging dann an die Gesellschafter. In diesem Falle sind dies die Vertreter von VfL Herrenberg, TV Haslach und HSV Oberjesingen-Kuppingen. Dort gab es ein klares Bekenntnis pro 2. Handball-Bundesliga.
Klar war aber auch, dass es nur mit einem gedeckten Etat in die neue Spielzeit gehen wird. „Der für die laufende Saison ist gesichert“, betont Katja Rhotert. Staatliche Corona-Hilfen machten es möglich. Allerdings: Schon in den letzten beiden Spielzeiten floss das Geld spärlicher, und die Zuwendungen für die Spielerinnen wurden verringert. „An dieser Schraube können wir nicht mehr drehen“, macht Rhotert klar.
Viele Fixkosten ohne Einsparpotenzial
Und es gibt noch mehr Fixkosten ohne Einsparpotenzial: Allein für Reise- und Schiedsrichterkosten fallen pro Spielzeit etwa 30 000 Euro an. „Diese Zahlen betreffen nur den Frauen-Etat. Die Oberligamänner sind davon nicht betroffen“, unterstreicht Katja Rhotert.
Seit November macht sich nun eine Task-Force an die Arbeit, um die fehlenden Mittel zu akquirieren. In dieser Gruppe tauchen unter anderem Namen wie der frühere Manager der Kuties, Ingo Janoch, Rechtsanwalt Siegfried Dierberger oder Harald Urban, Chef der Steuerberatungsgesellschaft SAM, auf.
Optimismus ist weiterhin da
Das Ziel ist es, vier bis fünf Sponsoren im Volumen eines jeweils unteren fünfstelligen Bereichs zu gewinnen. Ein ambitionierter, aber alternativloser Plan. Der Optimismus ist dennoch vorhanden – und auch die nötige Motivation: „Wir werden um die 2. Liga kämpfen“, nickt Katja Rhotert.
Die Mannschaft wurde in der Vorwoche über den aktuellen Stand informiert. Kapitänin Aylin Bok gibt die Stimmung wider: „Natürlich wünscht man sich zum Jahresstart andere Nachrichten. Wir sind aber optimistisch, dass es bei der SG H2Ku weitergeht. Wir konzentrieren uns weiter voll auf Handball“. Wie als Bestätigung siegte das Team am Samstag in Wuppertal.
In spätestens sechs Wochen fällt eine Entscheidung
Zum 1. März müssen indes die Lizenzunterlagen für die Saison 2022/2023 eingereicht werden. Das heißt, dass in spätestens sechs Wochen eine Entscheidung fallen wird. Und was passiert, wenn die Summe bis dahin nicht zusammenkommt? „Wir haben noch keinen Plan B in der Tasche. Wir behalten unseren Optimismus“, so Katja Rhotert. Dazu zählt auch, dass parallel zu den Rettungsbemühungen die Vertragsgespräche laufen.
Dass die Veröffentlichung der brisanten Fakten zur jetzigen Zeit erfolgt, zeugt von einer seriösen Vereinsführung. „Wir stehen für eine offene Kommunikation. Das ist gegenüber der Öffentlichkeit und unseren Spielerinnen nur fair“, hofft Unternehmensberaterin Rhotert auf Verständnis. Denn eines ist auch klar: Als einziger Verein steht die SG H2Ku Herrenberg mit dieser Situation in den heutigen Tagen dank Corona-Pandemie keineswegs da.
Kommentar
Seriösität als oberstes Credo
Auch wenn die Nachricht einer großen Finanzlücke in Herrenberg zum Jahresbeginn einschlug wie eine Bombe, überraschend kommen solche Meldungen nicht unbedingt. Seit fast zwei Jahren kämpfen die Vereine nun landauf, landab um ihr Fortbestehen auf dem Vor-Corona-Niveau. Jeder wählt dabei die für sich richtige Option. Dass die Verantwortlichen bei der SG H2Ku nun den Weg über die Öffentlichkeit gehen, kann man getrost auch als Hilferuf interpretieren. Denn dass andere Teams in ähnlichen Schwierigkeiten stecken, darf man als gegeben voraussetzen. Dass die Veröffentlichung dieser Meldung ausgerechnet jetzt geschieht, nötigt dabei besonderen Respekt ab. In der Zeit der heißen Vertragsverhandlungen wird sich die eine oder andere sicher mehr Gedanken als früher machen, wo der eigene Weg hingeht. Dessen ist man sich in Herrenberg durchaus bewusst. Genau das gehört aber auch zu der Seriosität, die den Klub seit vielen Jahren umgibt. Schon vor über zehn oder fünfzehn Jahren war es in Drittligazeiten der H2Ku- Männer unter dem damaligen Manager Peter Kiener ein offenes Geheimnis, dass man in Herrenberg zwar keine Reichtümer verdient, allerdings auch stets pünktlich und zuverlässig bezahlt wird. Seine Nachfolger haben dieses Credo der Fairness und Transparenz glücklicherweise auch bei den Frauen nahtlos übernommen. Wie im Vorjahr, als der sicher schmerzliche Verzicht auf die 1. Liga früh offengelegt wurde. Bleibt zu hoffen, dass in Herrenberg der Frauenhandball auch in Zukunft von dieser Offenheit profitiert.
Peter Gebhardt