Für die Kuties steht vor den Punktspielen der Gesundheitscheck

Anstrengende Übung für Stefanie Schoeneberg: Das hölzerne Dreieck ist Teil des Testkits für das Functional-Movement-Screen. Foto: Peter Gebhardt

von Peter Gebhardt 24.08.2022

Sportlich sind die Frauen der SG H2Ku Herrenberg in der 2. Handball-Bundesliga zuhause. Wenn man sieht, was in puncto medizinische Rundumversorgung für die Kuties in diesen Tagen auf dem Programm steht, ist das Team jedoch beinahe schon erstligareif aufgestellt.

Wie ein Geschicklichkeitsspiel aus Kindheitstagen

Es sieht fast ein wenig aus wie ein Geschicklichkeitsspiel aus früheren Kindertagen, als sich Stefanie Schoeneberg an diesem Abend auf einem eigenartig anmutenden Gebilde auf dem Boden der Haslacher Sporthalle abmüht. Natürlich ist dieses Holzdreieck kein Spielzeug, wie sich allein schon am von der Anstrengung gezeichneten Gesicht der Herrenberger Kreisspielerin ablesen lässt. Vielmehr handelt es sich um ein Teil des Testkits für das Functional-Movement-Screen, kurz FMS.

Es geht um die Beweglichkeit und einzelnen Muskulaturgruppen

Dieser Screen fördert eine Menge Daten ans Tageslicht, die weit mehr über die Sportlerin verraten, als es auf den ersten Blick vermuten lässt. Physiotherapeut Jürgen Beierlein, der an diesem Tag den Test durchführt, erklärt es so: „Mit dem FMS sieht und erkennt man den Körper in seiner Gesamtheit.“ In der Tat verraten die Skalen an dem in den USA entwickelten Testkit genau, wie es um die Beweglichkeit des Körpers und die Länge der einzelnen Muskulaturgruppen bestellt ist. „In den meisten Profimannschaften ist diese Testreihe Usus“, führt Beierlein weiter aus. Der Physio, der die Kuties auch im Bundesligaalltag betreut, weiß, wovon er redet, hat er sich doch auch mit diesem Programm schon bei der TSG Hoffenheim weitergebildet.

Auch für Stefanie Schoeneberg ist der Test weit mehr als eine Pflichtübung: „Für mich ist vor allem interessant, wie sich der Unterschied zwischen rechts und links darstellt.“ Was sie damit meint: Mit weniger Beweglichkeit oder kürzer ausgeprägten Muskeln auf der linken oder der rechten Körperseite lässt sich eben schlechter Handball spielen. Deshalb gibt es nach Auswertung dieser Tests auch immer wichtige Tipps von Jürgen Beierlein zum Beheben möglicher Probleme.

Nur ein kleiner Ausschnitt

Der Functional-Movement-Screen ist allerdings nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Untersuchungsbogen für die Spielerinnen der 1. und 2. Bundesliga. Dieses medizinische Bulletin umfasst stolze 23 Seiten und ist ein vorgegebenes Muss der Handball-Bundesliga sowohl der Herren (HBL) als auch der Frauen (HBF). „Im Zukunftsentwicklungsprogramm der HBF steht neben der wirtschaftlichen und medialen Weiterentwicklung eben auch die medizinische Komponente“, erklärt der sportliche Leiter Hagen Gunzenhauser. Nachdem die 1. Liga den umfangreichen Check seit Jahren vorschreibt, ist er in der 2. Liga seit dem vorigen Jahr Bestandteil des Vorbereitungsprogramms.

Untersuchungen sorgen für mentale Sicherheit

Neben dem FMS gibt es aber weit mehr Untersuchungen, die für eine Spielerlaubnis erforderlich sind. Für Kreisläuferin Schoeneberg ist der Aufwand in Sachen Gesundheit jedoch nachvollziehbar und sogar willkommen. „Ich finde die Untersuchungen super wichtig“, sagt die Sozialreferentin in Bondorf. Vor allem die internistischen Ergebnisse mit Belastungs-EKG und Echokardiographie geben der 25-Jährigen die nötige mentale Sicherheit. „Es gibt mir auch an der Belastungsgrenze ein sicheres Gefühl“, beschreibt es Stefanie Schoeneberg. Vervollständigt werden die vorgeschriebenen Untersuchungen noch durch einem Allgemeinmediziner und einen chirurgischen Facharzt. In diesem Falle von Dr. Ulrike van der Merve aus Herrenberg, die sich unter anderem den Sprunggelenken, den Knien oder den Schultern widmet. Auch hier gibt es ein mehrseitiges Prozedere abzuarbeiten.

Wichtige Daten für die Vereine

Warum aber dieser enorme Aufwand? Hagen Gunzenhauser umschreibt es so: „Mit der weiteren Professionalisierung des Frauenhandballs ist es ein logischer Schritt. Mit der umfangreichen Testreihe stellt die HBF nicht nur sicher, dass nur gesunde Spielerinnen am Spielbetrieb teilnehmen, sie gibt den Vereinen auch wichtige Daten an die Hand.“ Gerade beim Functional-Movement-Screen wird dies sichtbar. „Nach Verletzungen sieht man an den objektiven Daten, inwieweit eine Spielerin im Vergleich vor einer Blessur steht. Für eine Rückkehr aufs Parkett ist das sehr wichtig“, betont Jürgen Beierlein.

Auch ein Zahnarzt ist mit an Bord

Was neben der obligatorischen Untersuchung noch alles auf der Agenda in Sachen Gesundheit steht, wird an diesem Abend in Haslach deutlich. Die Geschäftsführerin der Handball GmbH, Katja Rhotert, hatte zu der als Netzwerktreffen benannten Veranstaltung weitere Vertreter eingeladen, die sich um die Gesundheit und vor allem auch die Prävention von Verletzungen der H2Kuties kümmern. Neben der AOK, die immer wieder Referenten zu den genannten Themen vermittelt, ist mit Dr. Dominik Schmider auch ein Zahnarzt im Boot. Der erste Gedanke bezieht sich hier für viele sicher auf einen Mundschutz, der Verletzungen an den Zähnen verhindern kann. Mit dem Begriff Leistungsbooster tut sich mancher dagegen schwerer. Mittels einer Performance-Schiene im Mund kann man einen positiven Einfluss praktisch auf den gesamten Körper nehmen. Eine Verbesserung des Gangs, der Fußstellung, des Gleichgewichts und sogar der Augenkoordination sind nachgewiesen und von ehemaligen oder aktuellen Spielerinnen wie Torjägerin Lea Neubrander bestätigt.

Mit Stefanie Schoeneberg kommt am Ende noch einmal eine Sportlerin selbst zu Wort: „Ich sehe es schon eher als Privileg als eine Belastung an, einen kompletten Check für meinen Körper zu erhalten.“ Eine Meinung, mit der die Kreisspielerin der Kuties nicht alleine steht. Schon deshalb, um ein anderes Privileg, nämlich 2. Bundesliga zu spielen, so lange wie möglich genießen zu können.

2. Handball-Bundesliga Frauen: Für die Kuties steht vor den Punktspielen der Gesundheitscheck – Handball im Kreis Böblingen – Kreiszeitung Böblinger Bote (krzbb.de)