Am Ende kühlen Kopf bewahrt

SG H2Ku gewinnt im Auftaktspiel der 2. Bundesliga knapp gegen den TuS Lintfort
Die Frauen der SG H2Ku Herrenberg haben in der 2. Handball-Bundesliga einen erfolgreichen Auftakt hinbekommen. Gegen den TuS Lintfort hieß es am Ende 34:31 (18:18). Um den Erfolg mussten die Zuschauer in der Markweghalle als auch die Mannschaft aber bis kurz vor dem Ende bangen.
„Wir wussten nicht so recht, wo wir stehen“. Die Worte von Hans Christensen über eine bisweilen holprige Vorbereitungsphase gingen dem Coach der Kuties in der abschließenden Pressekonferenz leicht von den Lippen. Wo die Mannschaft nach dem Schlusspfiff des Auftaktspiels steht, war optisch zumindest unübersehbar – in den Armen liegend und feiernd mit den Zuschauern. Dabei war die Erleichterung, aber auch die Erschöpfung bei Spielerinnen deutlich sichtbar.
Die Anfangsphase ließ die über 300 Zuschauer in der Markweghalle fast vermuten, beide Mannschaften wollten die Entscheidung unbedingt in der Startviertelstunde erzwingen. Mit extrem hohem Tempo wurden die Angriffe vorgetragen. Schon hier schoben sich die beiden Protagonistinnen des Spiels in den Vordergrund. Lea Neubrander auf Herrenberger Seite und Prudence Kinlend für die Gäste aus Lintfort waren die Dreh- und Angelpunkte ihrer Teams. Die H2Ku- Torjägerin brachte es am Ende auf rekordverdächtige 15 Treffer, für Kinlend wurden am Ende sieben Tore notiert. Allein an diesen beiden Zahlen ließ sich ablesen, dass die Kuties immer einen leichten Vorteil gegenüber ihren Gästen hatten.
Die hohe Trefferquote von Lea Neubrander indes war das Produkt eines Angriffsspiels, das nicht nur von dieser einen Rückraumspielerin getragen wurde. „Wenn wir geduldig spielen, bekommt Lea ihre Wurfchancen von den Mitspielern praktisch geschenkt. So muss sie nicht das Spiel alleine gestalten“, so Hans Christensen. Und dieses Konzept ging voll auf – auch weil im Rückraum alle Alternativen von der Bank genutzt wurden. Als die Gastgeberinnen nach einer knappen Viertelstunde auf 11:7 enteilt waren, schien sich fast schon eine Vorentscheidung anzubahnen. Der TuS Lintfort erwies sich aber auch hier schon als äußerst hartnäckig. Vor allem in Person von Mariel Wulf, die vor der Saison aus Waiblingen zum TuS kam, pirschten sich die Gäste zusehends heran. „Sie bekamen wir in der ersten Hälfte nicht in den Griff“, haderte Coach Christensen nach dem Schlusspfiff. Trotzdem war er mit seiner defensiv auftretenden Abwehr insgesamt durchaus zufrieden. Was ihn sichtbar wurmte, waren allerdings die letzten Sekunden vor dem Pausenpfiff. Nach einem eigenen Ballverlust gelang Prudence Kinlend praktisch mit der Sirene noch der Ausgleichstreffer zum 18:18. „Das war schlecht verteidigt. Den Gegner dürfen wir mit diesem Hochgefühl nicht in die Pause gehen lassen“, ärgerte sich Christensen.
Wer vermutete, dass sich das Team vom Niederrhein mit diesem mentalen Push gestärkt zum zweiten Durchgang zurückmeldet, sah sich allerdings getäuscht. „Mit zwei haarsträubenden Fehlern haben wir uns selbst aus dem Spiel genommen“, musste Gästetrainerin Bettina Grenz-Klein nach dem schnellen 21:18 eingestehen. Die Partie nahm nun einen ähnlichen Verlauf wie schon in Halbzeit eins. Als die mit einer starken Leistung aufwartende Nives Klobucar von Rechtsaußen auf 24:19 erhöhte, waren nicht einmal vierzig Minuten gespielt. Wieder schien sich eine Vorentscheidung anzubahnen und wieder wurde der klare Vorsprung aus der Hand gegeben. Nach dem 27:22 wurden die Angriffsaktivitäten scheinbar erst einmal eingestellt. Acht Minuten reichten dem TuS Lintfort, um durch Prudence Kinlend auf 28:28 zu stellen. Mehr noch, nach einem weiteren Fehlversuch eröffnete sich für den TuS sogar die Chance zur Führung. Dass diese durch einen Kreisübertritt nicht genutzt wurde, war wohl ein erster Kulminationspunkt in der heißen Schlussphase.
Nicht zufällig war es Lea Neubrander, die für ihre Farben Verantwortung übernahm und die Kuties wieder in Führung brachte. An ihrer Seite hatte sie vor allem im zweiten Durchgang eine Mitspielerin, die eigentlich kaum einer so richtig auf dem Zettel hatte. Svenja Graebling, die fast die komplette Vorbereitung nach einer Operation passen musste, lieferte mit fünf Treffern bei fünf Versuchen und sehenswerten Anspielen eine Leistung ab, die auch ihren Coach zu einem Sonderlob für seine Quirlige Rückraumspielerin nötigte.
Die letzten vier Minuten waren dann fast schon ein Galauftritt der Kuties im Zeitraffer. Zwei identisch vorgetragene Angriffe, bei denen Lea Neubrander plötzlich im rechten Rückraum auftauchte und erfolgreich war, brachten das 32:30. Der emotionale Höhepunkt kam nach dem Anschlusstreffer zum 32:31, als Svenja Graebling Prudence Kinlend den Ball aus den Händen spielte und Marie Beddies im Gegenzug den Ball zum 33:31 einnetzte – nur Zentimeter hinter der Torlinie. Die letzte Parade von Laura Waldenmaier, die in der Schlussphase noch die wichtigen Bälle halten konnte, rundete den Gesamteindruck schließlich ab.
Der Rest war Jubel und für die Statistik noch das 34:31. „Der Sieg heute war enorm wichtig für die Psyche. Nun können wir ohne den großen Druck am Sonntag nach Leipzig fahren und haben dann das Bonus-Spiel gegen Frisch Auf Göppingen“, freute sich Hans Christensen.
SG H2Ku: Waldenmaier, Weiss; Schoeneberg (3), Bühler, Graebling (5), Slawitsch, Neubrander (15/4), Beddies (4), Luber (1), Kreibich, Grießer, Klobucar (6)
Peter Gebhardt